Die (Schul-)Geographie in Bremen
Das Unterrichtsfach Geografie in Bremen findet - ebenso wie in anderen Bundesländern (etwa Hessen,
vgl. aktuelle Petition) - im Fächerkanon wenig Berücksichtigung, geht vielfach vollständig in den Verbundfächern GuP bzw. GGP auf (oder unter?). Stadtbremisch sind - schulübergreifende Kurse zusammengefasst - nur noch 5 Leistungskurse Geografie in den Gymnasialen Oberstufen aller Bremer Schulen zu finden. Diese Entwicklung ist keine ganz neue, gewinnt aber zunehmend an Dramatik.
Schon seit mehreren Jahren sind wir als Landesverband angetreten dieser Entwicklung konstruktiv und immer wieder auf vielen Ebenen entgegen zu wirken. Die folgenden ausgewählten Punkte verdeutlichen die Diskussion.
Entwicklung und Stand von Geographie / Erdkunde in der Schule im Bundesland Bremen (Stand Februar 2018)
Nach dem 2. Weltkrieg in den Anfangsjahren des Bundeslands Bremen wurde unter den drei Senatoren Chr. Paulmann, W. Dehnkamp und M. Thape bis 1979 das Bremer Bildungswesen in seiner Dreigliedrigkeit manifestiert, aber für soziale Mobilität durchlässig gemacht. In dieser Zeit war das Unterrichtsfach Erdkunde / Geographie unverzichtbarer Bestandteil aller drei Schulformen. Zusammen mit dem Fach Geschichte hatte Erdkunde / Geographie in der Stundentafel mindestens 2 – 3 Unterrichtsstunden pro Woche. Ganz bewusst wurde in dieser Zeit dem Fach Erdkunde / Geographie eine höhere Bedeutung zugemessen als dem Fach Geschichte, weil die damaligen Bildungsverantwortlichen die Handels- und Hafenstadt Bremen als liberale und weltoffene Wirtschaftsmetropole verbunden mit ihrer maritimen Ausrichtung als eine der wesentlichen Bildungsvoraussetzungen erkannten. Den Schülerinnen und Schülern sollte „die Welt in das Klassenzimmer geholt werden“. Wesentliche geographische Lerninhalte waren damals die Länderkunde mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Welthandelsländer sowie die internationalen Hafenstandorte, Klima – Wetter –Meere - Meersströmungen, Fischerei, aber auch geomorphologische Inhalte (endogene, exogene Kräfte und Formen) und demographische Fragestellungen (Wachstum und Versorgung der Weltbevölkerung; Tragfähigkeitsfragen) sowie die Problematik unterschiedlicher Entwicklungen von Räumen (Kontinente, Staaten, Regionen, Städte). Besonderer Wert wurde auf den länderkundlichen Systemvergleich von USA und Sowjetunion gelegt. Als wesentliche geographische Methode wurde den Lernenden das Hettnersche Schema beigebracht.
Mit der Strukturreform zur Stufenschule unter den Senatoren H. von Hassel und W. Franke bis 1990 erhielt das Fach Erdkunde / Geographie in der Sekundarstufe I und vor allem in der Sekundarstufe II noch eine weitere qualitative und quantitative Aufwertung. In der Gymnasialen Oberstufe (NGO) konnten die Schülerinnen und Schüler jetzt auch Geographie als zunächst sechs- und später fünfstündiges Leistungsfach belegen. So kamen zu den o. g. Inhalten neue hinzu. Dies waren vor allem die Agrar-, Industrie- und Dienstleistungsgeographie, die Geoökologie (z. B. Bodenverseuchung, Erosion und Wüstenausbreitung durch nicht an den Raumpotential angepasste Lebens- und Wirtschaftsweisen der Bevölkerung), Fragen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung von Regionen und Ländern (Entwicklungstheorien und –strategien; Fragen regionaler, demographischer, ökonomischer, sozialer und ökologischer Disparitäten). Dabei rückte der „Raum“ als geographischer Untersuchungsgegenstand in den Vordergrund. Auch wurden jetzt etliche geographische Untersuchungsschemata und –methoden in den Unterricht mit einbezogen (Raumanalyse; Struktur- und Funktionsanalyse; ganzheitliche Sichtweisen bzgl. naturgeographischer Interdependenzen und Zusammenhänge). Lediglich in den nun gegründeten drei Gesamtschulen in der Stadt wurde die Geographie zusammen mit Geschichte und Politik in einem integrativen Unterrichtsfach (z. T. Welt-/ Umweltkunde genannt) unterrichtet. Aber auch hier waren nahezu alle wesentlichen geographischen Inhalte und Methoden im Curriculum dieses Fachs enthalten, sodass vor allem qualitativ kaum ein Unterschied zu dem in den Gymnasien und Sekundarschulen (der Stufen I und II) unterrichteten geographischen Inhalten und Methoden gegeben war.
Dies änderte sich, die geographischen Inhalte und Methoden im Gesamtschulfach einschränkend, erst leicht in den 1990er Jahren unter dem Senator H. Scherf und der Senatorin B. Kahrs, weil es durch Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Aufwertung des Unterrichtsfachs Geschichte als Pflichtfach gab. Zudem wurden berufsvorbereitende Praktika für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I im Rahmen eines neuen, einjährigen Fachs Arbeitslehre eingeführt. Weil die Bildungsverantwortlichen aber keine Ausdehnung der Wochenstunden für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I wollten, nahm man dafür eine quantitative Einschränkung der Wochenstunden des Unterrichtsfaches Erdkunde / Geographie vor. Nun wurde das Fach in der 9. Klasse durch Arbeitslehre ersetzt, die Pflichtstundenzahl von Geschichte zu Ungunsten der von Erdkunde / Geschichte erhöht. Inhaltlich allerdings wurden in Erdkunde / Geographie aber noch keine curricularen Einschränkungen vorgenommen.
Unter Senator W. Lemke und Senatorin R. Jürgens-Pieper wurden nach der Jahrtausendwende zahlreiche Veränderungen in Struktur und in Curricula vorgenommen, die sich allesamt negativ auf Quantität und Qualität des Unterrichtsfachs Erdkunde / Geographie ausgewirkt haben. Ausgelöst durch den „Pisa-Schock“, wurden die Fächer Deutsch und Mathematik sowie die Sprachen und die Naturwissenschaften zu Ungunsten der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer (mit Ausnahme von Geschichte, wg. der KMK-Auflage) gestärkt. Das hatte zur Folge, dass vor allem Erdkunde / Geographie in den Stundentafeln reduziert und zum Wahlpflichtfach wurde. Damit entfiel für die Schulen der Sekundarstufen die Auflage das Fach Erdkunde / Geographie anbieten zu müssen. Zudem wurde das Zentralabitur für viele Fächer, aber nicht für Geographie eingeführt, mit der Folge dass die immer noch dezentral einzureichenden Abiturprüfungsvorschläge sich von 34 (2006) auf 6 (2016) reduziert haben. Nur noch an sieben Gymnasialen Oberstufen wird Geographie als Leistungskurs angeboten. Ein Abitur im Grundkurs Geographie ist seitdem nur noch als mündliche Prüfung möglich. In der Folge gab es auch einen deutlichen Rückgang der Schüleranwahlen in Geographie in der GyO. Warum sollten die Schülerinnen und Schüler auch Geographie wählen, wenn sie es nicht belegen müssen und die Pflichtauflagen anderer Fächer und Stunden erhöht wurden? Nur diejenigen Schülerinnen und Schüler, die ein deutliches Interesse an geographischer Bildung haben, wählen dieses Fach in der GyO zusätzlich und haben dadurch mehr Wochenstunden abzuleisten als ihre Mitschülerinnen und –schüler. Ein Fach, in welchem man keine schriftliche Abiturprüfung machen kann, ist in den Augen der Schülerinnen und Schüler weniger wert und wird weniger angewählt.
Unter der Senatorin R. Jürgens-Pieper hat sich dies Problem noch verstärkt, weil durch die Verkürzung der Schulzeit nun in der Einführungsphase der GyO sowieso mehr Wochenstunden abgeleistet werden müssen, nämlich bis zu 36 gegenüber 28 – 30 davor, um das fehlende Schuljahr quantitativ einigermaßen auszugleichen. Ab 2007 erfolgten noch zahlreiche weitere Veränderungen der Strukturen, Curricula und Bestimmungen, die in ihrem Zusammenwirken – sicherlich in dem Ausmaß größtenteils unbeabsichtigt – die tatsächlich dann erteilten Unterrichtsstunden mit geographischen Inhalten und Methoden bis 2013 gegenüber vor 2007 um mehr als die Hälfte an den Bremer Schulen halbiert haben. Die Zahl der Schulen in beiden Sekundarstufen, in denen heute noch das Unterrichtsfach Erdkunde / Geographie angeboten und unterrichtet wird, hat sich seit 2007 um mehr als die Hälfte reduziert.
Da wirkte sich bzgl. der Gymnasialen Oberstufen die wieder eingeführte Vertikalisierung des Schulsystems mit der Installation von zahlreichen neuen kleinen Gymnasialen Oberstufen auf Oberschulen aus. Kleine Oberstufen, von Senatorin R. Jürgens-Pieper auf Sekundarstufen I –Schulen aufgesetzt, können wegen der behördlichen Auflagen bezüglich der Schülerzahlen nicht das normale Spektrum an Unterrichtsfächern wie die großen Oberstufen der tradierten Gymnasien und Schulzentren des Sekundarbereichs II anbieten, wie dies die politischen Entscheidungsträger in der Neugestalteten Gymnasialen Oberstufe (NGO) Anfang der 1970er Jahre eingeführt hatten. So musste in den kleinen, neuen GyOs in der Regel nur mit zwei bis maximal drei Profilen gearbeitet werden, was automatisch zum Verlust von Wahlpflichtfächern führte, damit die Pflichtauflagen in der GyO erfüllt werden können. Dieser Wegfall an Wahlpflichtfächern hat vor allen das Fach Geographie getroffen. Zudem wurden durch die neuen, kleinen GyOs auf Oberschulen noch mehr Gymnasiale Oberstufen für die ohnehin zurückgehenden Schülerzahlen geschaffen, so dass der Konkurrenzkampf der Schulen um Schülerinnen uns Schüler untereinander verstärkt wurde. Sieger in diesem Konkurrenzkampf um die Oberstufenschüler waren in der Regel, die guten, älteren, tradierten und großen Gymnasialen Oberstufen mit ihrem vielfältigen Fächerangebot und ihrer großen Erfahrung in Unterricht, Prüfung, Organisation und Schülerbetreuung sowie –beratung. Hier können Schülerinnen und Schüler einen Neuanfang machen, ohne ein mögliches Stigma aus den Oberschulen / Sekundarstufen I mitnehmen zu müssen.
Mit der Ablösung der Schulzentren der Sekundarstufe I und Stadtteilschulen durch die neugeschaffenen Oberschulen um 2012/13 erfuhr der geographische Unterricht seine bisher größte Reduzierung in Bremens Bildung seit 1945! Auf behördliche Anweisung wurden für die Oberschulen die Unterrichtsfächer Geschichte, Geographie und Politik zu einen neuen Fach „Gesellschaft und Politik“ (GUP) zusammengelegt. Die Absicht war die gesellschaftliche Bildung zu integrieren und damit die Oberschülerinnen und –schüler durch Reduzierung der vielen Unterrichtsfächer zu entlasten.
Allerdings enthält der für GUP erstellte Bildungsplan kaum noch geographische Inhalte. Nur zwei geographisch angehauchte Unterrichtseinheiten sind innerhalb des GUP-Unterrichts in den drei Schuljahren vorgesehen. Damit fehlt für die Schülerinnen und Schüler jegliche stringente Kontinuität geographischer Bildung. Für die Schülerinnen und Schüler der Oberschulen ist die Geographie als solche gar nicht mehr erkennbar. Raumanalytische Kompetenzen und naturgeographische Inhalte werden den Bremer Oberschülerinnen und –schülern gar nicht mehr vermittelt. Überdies gibt es in den Bremer Oberschulen keine Lehrkräfte mit GUP-Fakultas. Meistens unterrichten Geschichts- oder Politiklehrkräfte das Fach GUP. Entsprechend dünn und kaum fundiert werden die geographischen Inhalte vermittelt. So hat die Bremer Bildungspolitik die Geographie in den Oberschulen „wegintegriert“!
Den Gymnasien wurde im Rahmen Ihrer Schulprofilbildung freigestellt, welche Schwerpunkte sie im gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld der Mittel- und der Oberstufe sie anbieten wollen. Allerdings muss wegen der KMK-Auflagen das Fach Geschichte auf jeden Fall angeboten werden. Als unmittelbare Konsequenz der Freigabe haben etliche Schulen das Fach Erdkunde / Geographie aus ihrem Fächerkanon gestrichen. Eine Befragung des Landesverbands Bremen im VDSG e. V. im Jahr 2015 an den Mittelstufen der Gymnasien in Bremen ergab, dass 37 % der Gymnasien das Fach Erdkunde / Geographie gegenüber der Zeit davor gestrichen haben und von den anderen 64 % eine Reduzierung der Unterrichtsstunden pro Woche im Fach Geographie vorgenommen haben.
Hinzu kommt noch eine gravierende inhaltliche Reduktion des Unterrichtsfachs Geographie in den Bremer Gymnasien an den Mittel- und Oberstufen, weil die verantwortliche Bildungspolitik das Fach in den neuen Bildungsplänen allein auf gesellschaftswissenschaftliche Inhalte reduzierte und jegliche naturgeographische Inhalte strich (Klima, Geomorphologie, Geologie, Bodenkunde usw.)
Aber trotz zahlreicher Eingaben des VDSG e.V. bei den letzten Bildungssenatorinnen, zweier Petitionen in der Bremischen Bürgerschaft und diverser Anträge politischer Parteien in Bürgerschaft und Bildungsdeputation wird seitens der Bremer Bildungsverantwortlichen die beschriebene Reduktion des Geographieunterrichts beibehalten. Ein erneuter Versuch der Fachgutachter für Geografie im Land Bremen zusammen mit der Fachleitung für Geografie für die Lehrerausbildung in Bremen mit dem Landesverband Bremen im VDSG e.V. einen Gesprächstermin mit der zuständigen Senatorin Dr. C. Bogedan über die prekäre Situation des Schulfachs Geographie zu erhalten, endete in Frühjahr 2017 mit der Weisung der Sekretärin der Bildungssenatorin an den 1. Vorsitzenden das Dienstgebäude zu verlassen. Die Bremer Bildungspolitik hat keine Zeit sich wirklich inhaltlich zu stellen. Man ist bei äußerst knapper finanzieller Ausstattung ohnehin nur damit beschäftigt, auftretende Löcher bei der Bildungsversorgung zu stopfen, um halbherzige und nicht gut durchgeplante „Reformen“ aus der Vergangenheit irgendwie einigermaßen umzusetzen. In der Schulrealität bedeutet das, dass eine viel zu geringe Decke immer wieder Bildungsmängel in Bremen aufdeckt. Da bleiben keine Zeit, kein Wille und keine Mittel, um die berechtigten Forderungen der Schulgeographie überhaupt nur zur Kenntnis zu nehmen!
Die Forderungen der organisierten Bremer Schulgeographen sind:
1.) Herauslösung des Fachs Geografie aus dem Fächerverbund (Konglomeratfach) GuP in den Bremer Oberschulen
2.) Verbindliche zwei Wochen-Unterrichtsstunden in allen Bremer Oberschulen.
3.) Inhaltlich-curriculare Erweiterung des Bremer Geografieunterrichts (aller Bildungspläne) um den seit 9 Jahren fehlenden Forschungsbereich der Naturgeographie auszugleichen (Geologie, Geomorphologie, Klimageographie) und um zeitgemäße Methodik der Fernerkundung und Geoinformatik zu ergänzen..
4.) Wiedereinführung des zweistündigen Geographieunterrichts an allen Bremer Gymnasien in den Klassen 7 – 9.
5.) Verbindliche Einführung des Fach Geographie an allen gymnasialen Oberstufen im Bundesland Bremen
6.) Verbindliche Bildungspläne für Geografie in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe im Bundesland Bremen unter Mitarbeit der Fach- und Schulgeographen und damit Abschaffung der schulinternen „Flickwerks“ von unverbindlichen Curricula“.
7.) Wiedereinführung des schriftlichen Grundkursabiturs in Geographie (wie in allen Bundesländern üblich!)
8.) Gleichstellung der Geographie gegenüber dem Fach Geschichte
9.) Herausnahme des Fach Geographie aus dem Wahlpflichtbereich, sowohl in der gymnasialen Mittel- als auch Oberstufe.
10.) Zentralabitur für Geographie im Bundesland Bremen (womöglich in Zusammenarbeit mit Niedersachsen)
Gerhard Dahlke (LV Bremen, 1. Vorsitzender)
Kommentar zur Lage der Geografie in Bremen
Abitur in Bremen - Ohne Geografie
Ein Kommentar zur Lage der Geografie in Bremen von unserem langjährigen 1. Vorsitzenden Gerhard Dahlke
Das Unterrichtsfach Geografie wird im Bundesland Bremen durch politisch gewollte und in den Ordnungsmitteln verankerte Strukturmaßnahmen systematisch ausgedünnt, ja tendenziell abgeschafft.
In den Oberschulen ist Geografie kein eigenständiges Unterrichtsfach mehr. Es wurde zusammen mit Geschichte und Politik in einem Mischfach „Gesellschaft und Politik (GUP)“ verschmolzen. Im Bildungsplan GUP finden sich nur noch drei geographische Unterrichtseinheiten in vier Schuljahren, so wird den Schülern gar keine durchgängige räumliche Bildung mehr vermittelt.
In den Gymnasien gibt es Geografie durchschnittlich nur eine Wochen - stunde. An kleinen Gymnasien wird Geografie nicht mehr unterrichtet.
In der Gymnasialen Oberstufe geht die Anzahl der eingerichteten Geografiekurse dramatisch zurück. Dies hängt mit gewollten Strukturveränderungen der Senatorin für Bildung sowie KMK-Beschlüssen zusammen. Seitdem Geschichte zur Pflichtauflage im gesellschaftlichen Aufgabenfeld wurde, müssen Schüler in Bremens GyO zusätzliche Unterrichtsstunden ableisten, wenn sie Geografie wählen.
In Bremen gibt es das Zentralabitur, allerdings nicht für Geografie, weil sie zum Wahlpflichtfach wurde, in welchem Schüler kein schriftliches Abitur im Grundkurs mehr ablegen dürfen. Seit der Verkürzung der Schulzeit auf 12 Schuljahre müssen Schüler in Bremens GyO in der Einführungsphase 33 Wochenstunden absolvieren. Wer das Grundfach Geografie wählt, muss bis zu 35 Wochenstunden belegen. Etwa zeitgleich änderte die Bremer Bildungspolitik die Schulstrukturen, in dem sie vielen kleinen Oberschulen in den Stadtteilen eine sehr kleine Gymnasiale Oberstufe obendrauf gaben. Diese kleinen GyOs können wegen geringer Jahrgangsbreite und politischer Vorgabe von Mindestschülerzahlen pro Kurs nur die unbedingt vorgeschriebenen Unterrichtsfächer anbieten, so dass es in diese Schulen i. d. R. keine Geografie mehr gibt. Durch diese künstlich geschaffene Konkurrenz der kleinen Stadtteil-GyOs ging an den tradierten, großen GyOs die Schülerzahl zurück, was sich besonders auf die Geografie auswirkt. Die Anzahl eingereichten schriftlichen (dezentralen) Abiturvorschläge in Geografie reduzierte sich von 2001 bis 2015 von 35 Abiturvorschläge auf nur noch 7.
Die senatorische Vernichtungspolitik der Geografie an Bremens Schulen wird sich fortsetzen, und es spätestens 2018 kein Leistungsfach Geografie mehr geben.
Dann erlernt kein Bremer Schüler mehr die interdependenten Kompetenzen von Raumanalyse, Kultur, Wirtschaft, Umwelt, Naturraum, Entwicklung und Globalisierung. Räumliche Orientierung und Topographisches Wissen werden Bremens Schüler fehlen und Bremen in der Pisa-Rangfolge noch weiter nach hinten werfen!
Gerhard Dahlke, Bremen
Kommentar des 1. Vorsitzenden zu Geographie im Weser-Kurier vom 04.08.2016 (Download)
Interview mit Gerhard Dahlke (Radio Bremen)
Am 03.08.2016 gab unser langjähriger 1. Vorsitzender Gerhard Dahlke ein Interview bei Radio Bremen zur Lage der Geografie "
Schulfach Geographie - An Bremer Schulen unerwünscht". Die offizielle Internetpräsenz zu diesem Interview ist mittlerweile vom Server Radio Bremens gelöscht, das "Internet Archive" hat jedoch ein Abbild der Seite gespeichert (leider ohne die Audio-Datei). Dieses ist
hier zu finden.
Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 08.03.2016
Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 08.03.2016: "Die Bedeutung der Unterrichtsfächer Politik und Geografie an Schulen im Land Bremen"
Die Fragen und die Antwort des Senats sind veröffentlicht unter:
https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2016-04-13_Drs-19-376_8c1b6.pdf
Wozu Geografie in der Schule?
Geografie bildet – Geography Matters
„Geografie bildet, Geography matters“ befanden SchülerInnen und plädierten für die Gleichstellung der Geografie mit anderen gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächern an Schulen des Landes Bremen und bekundeten den Wunsch Geografie als schriftliches Prüfungsfach im Abitur zuzulassen.
Geografie bildet
Die Erfassung und Bewertung der naturräumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten von Räumen führt zu einem vertieften Verständnis ihrer sehr unterschiedlichen Entwicklungspotentiale, aber auch zu besonderen Herausforderungen. Geografie als Raumanalyse und –bewertung regt an, Entwicklungsprozesse auf lokaler, regionaler und globaler Ebene kritisch zu hinterfragen und auf Nachhaltigkeit zu untersuchen.
· Klimawandel - Fakt oder Fiktion?
· Energiewende - Weiter so wie bisher?
· Bevölkerungsentwicklung - Genug Nahrung für alle?
· Flucht und Migration - Ausmaß, Ursachen, Folgen und Anpassung?
· Landraub in Afrika: Gummi, Biosprit, Rosen und Kaffee für Europa - Geht das?
Geografie bildet, weil sie das eigene Handeln und unseren Lebensstil in Frage stellt. Durch unseren Konsum, unsere Lebensweise und unsere Einstellungen nehmen wir Einfluss auf unsere Wirtschaft, Mitmenschen und Umwelt lokal und global – ob wir wollen oder nicht.
Lokal
· 15% Rabatt auf ein Teil der H&M Conscious-Collection!“ Woher kommt meine
Kleidung? Ist sie fair in Bangladesch produziert?
· „lol“ - Was hat mein Smartphone mit dem Konflikt im Kongo zu tun?
· Bremen: Lass uns am Samstag doch ins „Viertel“ gehen!!“ Stimmt es, dass das
Teile des Viertels abgerissen werden sollten?“
· Ist Bremen wirklich so arm im Bundesvergleich? Wenn ja, warum und was ist zu
tun?
Regional
· Wieso bebt die Erde bei uns in Niedersachsen? Was bedeutet dieses Fracking?
· Wenn ich Urlaub in Italien mache, muss ich dann mit Flüchtlingen an den
Stränden rechnen?
Global
· Alle sprechen vom globalen Klimawandel. Davon habe ich in Bremen noch nichts
gemerkt. Oder gibt es das Phänomen „Nasse Füße in Bremerhaven“ auch bei
uns?
· Wasser kommt doch aus dem Wasserhahn, warum sollte ich sparsam damit
sein? Warum kaufen internationale Unternehmen riesige Wasserspeicher in
Indien?
Hier werden Fragen gestellt, die das Fach Geografie mit seinem fächerverbindenden raumanalytischen Ansatz zwischen Natur, Wirtschaft und Gesellschaft umfassend bearbeiten und beantworten kann.
Geografie bildet, weil sie sich moderner Methoden der Fernerkundung, Geländekartierung und Geoinformationsverarbeitung bedient und Ergebnisse in informativen Grafiken und Karten präsentiert. Mit diesen Methodenkenntnissen schafft die Geografie ein kritisches Bewusstsein für raumbezogene Produkte und Informationsqualität unseres Alltags:
· Was soll ich tun, wenn mein Navi während einer Städtetour ausfällt?
· Kann ich mich auf die Fahrradrouten der Stadtplan App wirklich verlassen?
· Können Karten und Infografiken lügen und mich damit bewusst falsch informieren?
Geography matters
- verstanden als systematische Raumerfassung und -bewertung zusammen mit moderner Fernerkundung und Geoinformatik ist unverzichtbar in vielen modernen Berufsfeldern, z. B.:
· Risikobewertung von Naturgefahren für Versicherungen → Sachbearbeiter
· Internationale Entwicklungszusammenarbeit → Projekt Manager
· Standortanalyse für Unternehmen → Unternehmensberatung
· Logistik, Transport und Verkehr → Schifffahrtskaufmann
· Wetterdienst und Unwetterwarnungen → Meteorologe
· Land- und Forstwirtschaft → Agronom
· Raum-/ Stadtplanung → Raumplaner
· GeoInformatik → IT-Spezialist
· Klimaforschung → Geograf
· Umweltschutz → Biologe
· Statistik → Demograf
· Medien → Journalist
Geografie ist also mehr als Stadt-Land-Fluss und betrifft uns alle direkt!
Deshalb fordern wir für Erdkunde/Geografie aller Schulen des Landes Bremen:
1. Unterricht durch Geografie-Fachlehrkräfte im Doppelstundentakt!
2. Verbindliches Einhalten der Kontingentstundentafel!
3. Schriftliches Prüfungsfach für MSA!
4. Schriftliche Prüfungen für Grund- und Leistungskurse im Abitur!
Geografie bildet - geography matters: Petition von 2013
Hier finden Sie die Petition im Archiv der Bremischen Bürgerschaft
Der Text hier nochmals zum Nachlesen:
Petition zum Thema Auflösung des Faches Erdkunde/Geografie in Schulen des Landes Bremen
Geografie bildet, Geography matters. Dieser Erkenntnis ist das Land Bremen seit Jahrzehnten gefolgt und hat dem Fach Geografie einen großen Stellenwert in der Bremer Schullandschaft eingeräumt.
Die Bedeutung des Faches Erdkunde/Geografie liegt in ihrem einzigartigen fächerverbindenden Charakter. Dieses wird deutlich formuliert im derzeitig gültigen Bremer ‚Bildungsplan Geografie für die Gymnasiale Oberstufe‘ [1]:
„Der Geografieunterricht als ein zentrales Fach der Umwelterziehung thematisiert grundlegenden politische, soziale, kulturelle, wirtschaftliche, ökologische und demographische Entwicklungen sowie daraus entstehende Veränderungen und Probleme. Er ermöglicht, Lösungsansätze zu bewerten und Lösungen zu entwickeln.“ (S. 5)
und
„Der Geografieunterricht verbindet naturwissenschaftliche und sprachliche Fragestellungen und ist somit vernetzend, integrativ, fächerübergreifend und fächerverbindend. Strukturen und Veränderungen von Lebenswelten werden systematisch erfasst, erklärt und in Beziehung gesetzt.“ (S. 5)
Mit Bedauern und großer Sorge stellen wir daher fest, dass der Unterricht im Fach Erdkunde/Geografie in starkem Maße in den Bremer und Bremerhavener Schulen abgenommen hat. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, ist zu befürchten, dass das bei Schülerinnen und Schülern beliebte Fach in kurzer Zeit nicht mehr an den Schulen des Landes Bremen unterrichtet werden wird. Ursachen und Folgen lassen sich auf veränderte Bedingungen in der Schulpolitik des Landes Bremen zurückführen.
Ursachen für diese Wertminderung liegen in dem schulpolitischen Umgang mit dem Fach im Land Bremen:
1. Die Unterrichtsstunden für das Fach Erdkunde wurden in den Klassen
5 bis 10 der Oberschule gekürzt gegenüber der Stundenzuteilung im
bisherigen Schulsystem. Im aktuellen Bildungsplan für die Oberschule
[2] stehen 17 Wochenstunden zur Verfügung für das Fach ‚Gesellschaft
und Politik‘ in diesem Zeitraum. Damit entfallen auf die ‚Geografische
Dimension‘ weniger Wochenstunden als vorher dem Fach Geografie zur
Verfügung standen.
2. Betrachtet man die zu behandelnden Themenbereiche so stellt man
fest, dass die ‚Geografische Dimension‘ neben der Stundenreduzierung
auch einen stark reduzierten Anteil an den Inhalten im Vergleich zu den
beiden anderen Fächern Geschichte und Politik hat. Die Vermittlung
topografischen Wissens spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.
Hinzu kommt, dass nur ein Teil der LehrerInnen, die das Fach
Gesellschaft und Politik unterrichten, die Lehrbefähigung für das Fach
Geografie hat.
3. Die Liste der Operatoren im Anhang des Bildungsplans für die
Oberschule weist nur noch Operatoren für die Fächer Geschichte und
Politik aus, nicht mehr für das Fach Geografie. In der Gymnasialen
Oberstufe ( GyO) hat das Fach eine eigene Operatorenliste, die sich
unterscheidet von den Listen der Fächer Geschichte und Politik. Eine
Vorbereitung der SchülerInnen auf eine GyO wird dadurch zusätzlich
erschwert.
4. Der Bildungsplan für das Gymnasium Jahrgangsstufe 5 – 6 [3] fasst die
Fächer Geschichte, Geografie und Politik zum Fach ‚Welt-Umweltkunde‘
zusammen. Die geforderten fachlichen Kompetenzen sind sehr
umfangreich, jedoch hat auch hier erfahrungsgemäß nur ein Teil der
WUK-unterrichtenden LehrerInnen die Lehrbefähigung für das Fach
Geografie.
5. Im Bildungsplan für die Primarstufe und Sekundarstufen I & II
Medienbildung, Entwurfsfassung Juni 2012 [4], taucht das Fach
Erdkunde/ Geografie gar nicht mehr auf. Und damit werden
wesentliche geografische Inhalte wie digitale Karten und Atlanten,
Google Earth, Google Maps, als feste Bestandteile unseres
täglichen Lebens, sowie wesentliche Kompetenzbereiche digitaler
Medien gar keine Berücksichtigung in Schulen des Landes
Bremen finden.
In der Sekundarstufe II setzt sich die Wertminderung des Faches Geografie fort – soweit das Fach überhaupt noch in den Schulen angeboten wird.
6. Der Grundkurs Geografie kann nur als mündliches Prüfungsfach für das
Abitur angewählt werden. Eine Anwahl als schriftlich geprüftes 3.
Prüfungsfach ist nicht mehr möglich.
Als Folge dieser veränderten Bedingungen ist festzustellen, dass die Anwahlzahlen sowohl für die Grund- als auch die Leistungskurse Geografie stark zurückgegangen sind. Dieser Rückgang führte dazu, dass in mehreren Schulen im Land Bremen das Fach Geografie nicht mehr in der Sekundarstufe II unterrichtet wird.
Dies dürfte auch dazu führen, dass die Ausbildung von Geografie - LehrerInnen an der Universität Bremen rückläufig werden wird, da nur noch ein verringerter Bedarf an entsprechend ausgebildeten LehrerInnen besteht.
Um den Zielsetzungen aus den Bildungsplänen gerecht zu werden, ist eine Weiterentwicklung der Bremer Schulpolitik dringend notwendig.
Wir schlagen daher vor:
1. Den Stellenwert der Geografie als einziges fächerverbindendes Fach zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften mit folgenden Schwerpunkten aufzuwerten und zu erweitern:
a.
Fachkompetenz: Vertiefung der Nachhaltigen Entwicklung unter den
Aspekten der Wirtschaftlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und
Umweltverträglichkeit auf lokaler wie globaler Ebene.
b.
Methodenkompetenz: Einführung in digitale GeoMedien und
Geoinformatik zur Erfassung, Bewertung und Visualisierung komplexer
Raumstrukturen; Kennenlernen angewandter Geo-Informatik in
unterschiedlichen Berufsfeldern (z.B. Stadt- und Umweltplanung,
Landesvermessung, Wirtschaftsinformatik, usw.).
c.
Handlungskompetenz: Zeigen, wie politisches Engagement in einer
vernetzten Welt funktionieren kann, wie sich der Einzelne in politische
Entscheidungsprozesse einbringen kann.
2. In der
Oberschule:
a. Eigenständiger Geografie Unterricht,
b. Doppelstündig von Fachlehrkräften unterrichtet.
3.
In der Sekundarstufe I:
a. Eigenständiger Geografie Unterricht und Ausweitung der
Stundenzahl,
b. Doppelstündig von Fachlehrkräften unterrichtet.
4.
In der Sekundarstufe II:
a. Änderung der KMK-Bedingungen: Dadurch, dass aus den Fächern
Deutsch, Englisch und Mathematik zwei der Fächer als Prüfungsfächer
für das Abitur gewählt werden müssen und gleichzeitig im Aufgabenfeld
2 vier Kurse Politik oder zwei Kurse Geschichte verpflichtend sind,
werden andere Fächer des Aufgabenfelds 2
(gesellschaftwissenschaftliches Aufgabenfeld) weniger angewählt. Eine
Erweiterung der Anwahlmöglichkeiten , die eine
Auswahl zwischen
Politik, Geschichte und Geografie zulässt, würde dem Stellenwert
des Faches eher gerecht werden.
b. Geografie Leistungskurs: Aufnahme als schriftliches Prüfungsfach im
Zentralabitur
c. Geografie Grundkurs: Anwahl als schriftlich geprüftes 3.
Abitur-Prüfungsfach ermöglichen.
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[1] Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.),
Geografie – Bildungsplan für die Oberstufe. Bremen 2008
[2] Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.),
Gesellschaft und Politik – Bildungsplan für die Oberschule,
Jahrgangsstufe 5 -10. Bremen 2010
[3] Der Senator für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Welt-Umweltkunde,
Geschichte, Geografie, Politik, Jahrgangsstufe 5 – 10. Bremen 2006
[4] Die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit (Hrsg.),
Medienbildung (Entwurfsfassung). Bremen 2012
Die Antwort der senatorischen Behörde
Die Senatorin
für Bildung und Wissenschaft
Rembertiring 8-12 -28195 Bremen
An die
Vorsitzende des
Petitionsausschusses
der Bremischen Bürgerschaft
Haus der Bürgerschaft
28195 Bremen
Petition Günther Riemann - L 181228
Sehr geehrte Frau Motschmann,
zur Petition von Herrn Riemann, die sich auf das Fach Geografie an weiterführenden Schulen im Lande Bremen bezieht, nehme ich wie folgt Stellung:
Der Petent begründet die Bedeutung des Faches mit Zitaten aus Regelungen für das Fach Geografie an Bremer Schulen (Bildungsplan Geografie für die Gymnasiale Oberstufe), die sich insbesondere auf
den fächerverbindenden Charakter des Faches beziehen. Gleichzeitig sieht der Petent durch die Bremer Regelungen den Bestand des Geografie-
unterrichts als gefährdet an und sieht eine Bedeutungsminderung des Faches.
Grundlage für die Organisation des Unterrichts sind die Bildungsgangs-
verordnungen - hier die Verordnungen über die Sekundarstufen I der Oberschule und des Gymnasiums und die Verordnung über die Gymnasiale
Oberstufe - sowie die Bildungspläne für das Fach oder den Lernbereich. Bei der Unterrichtsgestaltung wird der Projektarbeit und dem fachüber-
greifenden Arbeiten breiter: Raum gegeben; Fächer können in Lernbereichen zusammengefasst werden. Zusammen mit der Vorgabe der
Kontingentstundentafel für die Sekundarstufe I können Schulen damit ihrem Auftrag aus dem Schulgesetz nachkommen, eigene Entwicklungsper-
spektiven für den Unterricht herauszuarbeiten.
Der Petent ist der Auffassung, dass mit der Einführung der Oberschule die Stundenzahl in der Stundentafel reduziert wurde.
Die Stundentafeln der Sekundarstufe sind als Kontingentstundentafeln ausgelegt, d.h., es werden die Mindeststundenzahlen festgelegt, die in der gesamten Sekundarstufe I in einem Fach oder Lernbereich unterrichtet werden müssen. Für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wird eine Stundensumme ausgewiesen, die Aufteilung auf die einzelnen Fächer bzw. die thematischen Bereiche obliegt der Schule auf der Grundlage der in den Bildungsplänen ausgewiesenen Kompetenzen. Für die Ausgestaltung der inhaltlichen Schwerpunkte der Schule stehen neben den Stunden des
Wahlpflichtbereichs pro Jahrgangsstufe zwei bis drei weitere Unterrichtsstunden zur Verfügung. Die Mindeststundenanzahl für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer ist in der Oberschule gegenüber
der flexibilisierten Stundentafel der Gesamtschule ausgeweitet worden, ebenso ist dieser Bereich bei der Neugestaltung der Einführungsphase der Gymnasialen Oberstufe erweitert worden. Die gesellschaftswissenschaftliche Bildung hat also entgegen der Darstellung des Petenten ein größeres Gewicht erhalten.
Nach Auffassung des Petenten sind Inhaltsbereiche nicht hinreichend berücksichtigt worden, er führt als Beispiel den Bereich des topografischen Wissens an. Die Standards - Kompetenzen die die Schülerinnen und Schüler im Unterricht erwerben sollen - weisen dieses Themengebiet explizit aus.
Auch die Anmerkung des Petenten, dass keine Operatoren für das Fach Geografie im Bildungsplan der Oberschule benannt werden, ist fehlerhaft. Es gibt für das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld einheitliche Operatoren. Sie gelten also sowohl für Geschichte und Politik als auch für Geografie und werden sowohl in den Bildungsplänen der Oberschule als auch in denen der Gymnasialen Oberstufe aufgeführt.
Weiter beklagt der Petent, dass die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer in den Jahrgangsstufen 5 und 6 integriert unterrichtet werden. Mit dem integrierten Unterricht ist eine mehr als 30jährige positive Erfahrung an Bremer Schulen verbunden. Das lntegrationsfach wurde unter dem Namen ,,Welt und Umweltkunde" eingeführt, mittlerweile wird auch im Namen die moderne didaktische Ausrichtung des gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereiches deutlich - Lernbereich ,,Geschichte und Politik". Hierin eine Abwertung der Geografie zu sehen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Als weiteres Beispiel für die angebliche Nichtachtung der Geografie muss der Entwurf des Medienplans herhalten. In ihm wird exemplarisch auf Gegenstände der Bildungspläne der Fächer verwiesen, um eine moderne
mediendidaktische Ausrichtung des Unterrichts an ausgewählten Inhalten deutlich zu machen. Aus der Häufigkeit der Beispiele einzelner Fächern ist keine Wertigkeit für das jeweilige Fach abzuleiten.
Mit der Einführung landeseinheitlicher Aufgaben in der Abiturprüfung ist eine ausgewogene Regelung über Fächer und Kurse mit zentraler oder dezentraler Aufgabenstellung gefunden worden, die sich in den vergangen Jahren eingespielt und in den Schulen eine hohe Akzeptanz gefunden hat. In den Leistungskursen des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfelds erfolgt die Aufgabenstellung grundsätzlich dezentral, dies ist also auch in Geografie der Fall. Zur Sicherung der Qualität der schriftlichen Prüfungen ist die Anzahl der Fächer, in denen eine schriftliche Prüfung im Grundkurs
möglich ist, eingeschränkt worden. Geografie (Grundkurs) gehört zu den Fächern, in denen ausschließlich eine mündliche Prüfung möglich ist. Mit dieser Auswahl ist entgegen der Auffassung des Petenten keine Aussage über die Wertigkeit der Fächer verbunden, das Gewicht von mündlichen und schriftlichen Prüfungen im Abitur ist gleich.
Die Petition von Herrn Riemann schließt mit Vorschlägen, die sich auf einige inhaltliche Bereiche der gesellschaftswissenschaftlichen Bildung beziehen, die vom Petenten der Geografie zugeschrieben werden, sowie auf die grundsätzliche Eigenständigkeit des Faches.
Der Petent führt ,,Bildung für nachhaltige Entwicklung" als Ergänzung an, sie ist sicherlich bedeutsam für die gesellschaftswissenschaftliche Bildung. Welches Fach Leitfach für das vom Petenten angeführte Thema ist, bleibt der Festlegung durch die Schule vorbehalten - auf der Grundlage der in
den Bildungsplänen festgeschriebenen Anforderungen, das genannte Thema ist nicht zwingend mit dem Fach Geografie verbunden. Die Themen werden in Vernetzung der Fächer der gesellschaftlichen Bildung bearbeitet, eine zwingende Aufsplitterung in Einzelfächer ist nicht mit den Prinzipien moderner Pädagogik und Schulgestaltung vereinbar und auch nicht am Lernen und Arbeiten der Schüler orientiert. Eine solche Herangehensweise ist ausschließlich am Einzelfach und seinen Interessen orientiert. Sie wird der vom Petenten selber hervorgehobenen Bedeutung eines vernetzenden und fachübergreifenden Ansatzes nicht gerecht.
Die vom Petenten vorgeschlagenen Änderungen in der Gymnasialen Oberstufe würden die Anerkennung des Bremer Abiturs in Frage stellen. Nach Auffassung der Kultusministerkonferenz, die zuletzt durch die Festlegung von Standards für das Abitur in den Kernfächern unterstrichen wurden, kommt den Fächern Deutsch, Fremdsprache und Mathematik eine besondere Bedeutung für die Sicherung der Studierfähigkeit zu. Für die gesellschaftswissenschaftliche Bildung hat die historische Dimension ein besonderes Gewicht, hierüber besteht Einvernehmen zwischen den Ländern.
lnsgesamt kann ich auf der Grundlage der Anmerkungen des Petenten keinen Änderungsbedarf an den Regelungen erkennen, die das Fach Geografie betreffen Ich sehe somit keine Möglichkeit, den Vorschlägen des Petenten zu folgen.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Gerd-Rüdiger Kück
Staatsrat
Die Antwort an die senatorische Behörde
Günther Riemann 03.06.2013
An die
Bremische Bürgerschaft
Petitionsausschuss
Am Markt 20
28195 Bremen
Petition
L 18/228 - Auflösung des Faches Erdkunde in den Schulen
Stellungnahme der Senatorin für Bildung und Wissenschaft
Sehr geehrter Damen und Herren,
vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme. Leider kann ich Ihren Ausführungen in wesentlichen Punkten nicht folgen.
1. Behauptung:
„Nach Auffassung des Petenten sind Inhaltsbereiche nicht hinreichend berücksichtigt worden, er führt als Beispiel den Bereich des topografischen Wissens an. Die Standards – Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler im Unterricht erwerben sollen – weisen dieses Themengebiet explizit aus.“
Es ist richtig, dass dieses Themengebiet ausgewiesen wird. Aber die Themen mit ‚geografischer Dimension‘ sind für die Oberschule der Jahrgänge 5-10
zusammen-geschrumpft auf drei Bereiche: 1. Räumliche Orientierung – Nutzung und Gestaltung der Umwelt; 2. Planet und Lebensraum Erde; 3. Globale Herausforderungen und Zukunftssicherung. Standards verweisen zwar auf Orientierungs- und Topographie-kompetenzen, aber die zentrale geografische Kompetenz ‚Raumanalyse /-bewertung‘
auf lokaler wie globaler Ebene ist unzureichend berücksichtigt
bzw. kann bei stark befristetem Zeitkontingent besonders in der 3. Geographischen Dimension ‚Globale Herausforderungen und Zukunftssicherung‘ kaum Rechnung getragen werden.
Ich verweise hierzu auch auf den Kommentar zur Petition verfasst vom Institut für Geographie der Universität
Bremen: „Es erscheint uns, dass den politisch und administrativ Verantwortlichen des Landes Bremen die Bedeutung des Schulfaches Erdkunde, durch das junge Menschen Kenntnisse und Kompetenzen für verantwortliches Handeln in einer sich rasant verändernden Welt vermittelt werden, verkannt wird.“
2. Behauptung:
„Es gibt für das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld einheitliche Operatoren. Sie gelten also sowohl für Geschichte und Politik als auch für Geografie und werden sowohl in den Bildungsplänen der Oberschule als auch in denen der Gymnasialen Oberstufe aufgeführt.“
Diese Aussage ist fehlerhaft. Im Anhang des Bildungsplans für die Oberschule und des Bildungsplans für das Gymnasium (Jahrgangsstufe 5 – 10) wird jeweils eine Liste der Operatoren nur für die Fächer Geschichte und Politik ausgewiesen. Geografie wird nicht erwähnt (Bildungsplan für die Oberschule, S. 21 ff; Bildungsplan für das Gymnasium S. 40 f). Auch aus dem Titel des Bildungsplans ‚Gesellschaft und Politik‘ geht eindeutig eine Marginalisierung des Faches Geografie hervor, die durch den Untertitel ‚Geografie, Geschichte, Politik‘ kaum wettgemacht wird.
3. Behauptung:
„Das Integrationsfach wurde unter dem Namen ‚Welt und Umweltkunde‘ eingeführt, mittlerweile wird auch im Namen die moderne didaktische Ausrichtung des gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereichs deutlich – Lernbereich ‚Geschichte und Politik‘. Hierin eine Abwertung der Geografie zu sehen, ist für mich nicht nachvollziehbar.“
Das Besondere der Geografie ist es, Räume unterschiedlichen Charakters nach wirtschaftlichen, sozialen wie auch ökologischen Gesichtspunkten zu betrachten und kritisch zu bewerten. Bei der Betrachtung der Umwelt handelt sich um eine zentrale Kompetenz von höchster gesellschaftlicher Bedeutung. Eine
„moderne didaktische Ausrichtung in Lernbereiche Geschichte und Politik“ alleine
wird den Ansprüchen nicht gerecht.
4. Behauptung:
„Im Medienplan wird exemplarisch auf Gegenstände der Bildungspläne der Fächer verwiesen, um eine moderne didaktische Ausrichtung des Unterrichts an aus-gewählten Inhalten deutlich zu machen. Aus der Häufigkeit der Beispiele einzelner Fächer ist keine Wertigkeit für das jeweilige Fach abzuleiten.“
Richtig ist, dass auch im Medienplan wesentliche Kompetenzen der geografischen Dimension unberücksichtigt bleiben. Im Zeitalter der Informationsgesellschaft leistet die moderne Schulgeografie einen unverzichtbaren methodischen Einsatz im Bereich Neue Medien. Im Alltag spielen Karten aus dem Internet über Computer und Smartphone eine zunehmende Rolle. Von Bedeutung ist zu verstehen, wie diese Karten zu nutzen sind und wie ihr Informationsgehalt zu bewerten ist. Deshalb sollten im Medienplan Beispiele zur methodischen Kompetenzerweiterung im Umgang mit GeoMedien (digitale Atlanten, Internetkarten, Luft- und Satellitenbilder) sowie Anwendungen der Geo-Informatik (Web-GIS, GIS) aufgenommen werden.
5. Behauptung:
"Geographie (Grundkurs) gehört zu den Fächern, in denen ausschließlich eine mündliche Prüfung möglich ist."
Diese Einschränkung ist eine willkürliche, nicht nachvollziehbare Festlegung der Bremer senatorischen Behörde.
Weder in der "Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II"
noch in den "Einheitliche(n) Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Geographie"
des Sekretariats der Kultusminister ist eine solche Einschränkung vorgesehen. Sowohl schriftliche wie mündliche Abiturprüfungen im Fach Geographie (Grund- und Leistungskurs) sind ohne Einschränkung durch die KMK möglich.
Durch die Beschränkung auf die Fächer Geschichte und Politik als einzige Fächer im Aufgabenfeld 2 (gesellschaftswissenschaftliches Aufgabenfeld) mit der Möglichkeit sowohl mündlicher als auch schriftlicher
Abiturprüfungen, wird das Fach Geografie im Land Bremen deutlich herabgewertet. Eine erneute Zulassung von schriftlichen Prüfungen im Grundkurs Geografie würde eine Gleichbehandlung der Fächer Politik, Geschichte und Geografie bedeuten und den Schüler/-innen eine größere Wahlmöglichkeit ihrer Prüfungsfächer in der Abiturprüfung bieten.
6. Behauptung:
"Zur Sicherung der Qualität der schriftlichen Prüfungen ist die Anzahl der Fächer, in denen eine schriftliche Prüfung im Grundkurs möglich ist, eingeschränkt worden."
Diese Behauptung ist nicht nachzuvollziehen.
Die schriftlichen Abiturprüfungen im Fach Geographie sind dezentral. Zur Sicherstellung der Qualität werden die Aufgabenvorschläge für die LK-Abitur-prüfungen von Fachgutachtern im Auftrag der Schulaufsicht überprüft. Bis zur Abschaffung der schriftlichen Prüfungen in den Grundkursen wurden auch diese Aufgabenvorschläge von den Fachgutachtern geprüft.
Meine Bedenken, dass es zu einer Auflösung des Faches Erdkunde/Geografie in den Schulen des Landes Bremen kommt, konnten durch die Ausführungen leider nicht beseitigt werden. Hinzu kommt, dass eine zweifellos geringere Bedeutung des Faches auch besorgniserregende Auswirkungen haben wird auf die studentische Ausbildung am Institut für Geographie der Universität Bremen. Offensichtlich teilen mehr als 1000 Mitzeichner der Petition meine Bedenken.
Um dennoch zu einer einvernehmlichen Lösung zur Sicherstellung der fachlichen Ausbildung im Fach Geografie sowohl an den bremischen Schulen als auch an der Universität Bremen zu kommen, möchte ich Ihnen die Einrichtung eines ‚Runden Tisches’ vorschlagen mit Vertretern der senatorischen Behörde, des LIS, des Fachbereichs 8 der Universität Bremen, des Verbandes deutscher Schulgeographen (LV Bremen) und weiteren Fachvertretern.
Mit freundlichen Grüßen
Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Gesellschaft und Politik – Bildungsplan für die Oberschule, Jahrgangsstufe 5 – 10, Bremen 2010
Auf die Bedeutung der Raumanalyse wird u.a. eindeutig hingewiesen im Bildungsplan Geografie: Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Geografie – Bildungsplan für die Gymnasiale Oberstufe, Bremen 201o; S. 6f
Universität Bremen, Fachbereich 8, Institut für Geographie: Kommentar zur Petition L 18/228 im ‚Forum öffentliche Petition‘ :
https://petition.bremische-buergerschaft.de/phpBB3/viewtopic.php?t=223, (geöffnet am 26.5.2013)
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (Hrsg.), Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i.d.F. vom 07.02.2013
dgl., Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Geographie, Beschluss vom 1.12.1989 i.d.F. vom 10.2.2005